Das kleine Wörterbuch der Streiksprache

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Standort Deutschland

(eigentlich Deutschland als Wirtschafts- oder Industriestandort);

Politisches Schlagwort zur verkürzenden Benennung der allgemeinen ökonomischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Deutschland.

Die Formel vom Standort Deutschland geht zurück auf die Debatten um die veränderten Bedingungen für den Wirtschafts- oder Industriestandort Deutschland Anfang der 90er Jahre, die sich infolge der wirtschaftlichen Globalisierung und der Kosten für die deutsche Einheit massiv verschlechtert hatten.

Damit waren in erster Linie diejenigen Bedingungen gemeint, die zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem Weltmarkt führten, wie z.B. zu hohes Lohnniveau bzw. Lohnnebenkosten, zu geringe Arbeitszeiten, zu geringe Flexibilität der Wirtschaft und der Arbeitnehmer. Alle diese aus der Sicht der Unternehmen arbeitnehmerseitigen Nachteile der deutschen Wirtschaft wurden zunächst in Tarifauseinandersetzungen als Argumente für einen zu leistenden Verzicht der Arbeitnehmer zur Sicherung des Standorts Deutschland verwendet.

Die damit suggerierte drohende Gefahr für den Standort Deutschland eignete sich in Tarifverhandlungen gut als Druckmittel (vgl. auch Standorterpressung) und in der Politik zur Legitimation einseitiger Sparbeschlüsse auch in nichtwirtschaftlichen Politikbereichen.

Der Standort Deutschland wurde besonders durch die neoliberale Wirtschaftspolitik der Regierungskoalition zum alleinigen Faktor für politische Entscheidungen. Über die sogenannte Standortdebatte in der Politik ist das Schlagwort so zum Fahnenwort für die Regierungsparteien geworden.

Während des Streiks wurde Standort Deutschland vor allem als Stigmawort für die Politik der Bundesregierung, die einseitig auf die Berücksichtigung ökonomischer Interessen ausgerichtet ist, verwendet:

"Gerechtfertigt wird die Umverteilung mit dem Verweis auf Globalisierung und Standortsicherung. Dahinter steht eine Konzeption von Politik, derzufolge die Aufgabe des Staates lediglich darin besteht, den reibungslosen Ablauf des "freien Marktes" zu gewährleisten und ein günstiges Investitionsklima zu schaffen. Bei einer solchen Politik bleiben notwendigerweise ökonomisch nicht verrechenbare Güter wie soziale Gerechtigkeit, Bildung, Kultur und die Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen auf der Strecke." (Stellungnahme des Inhaltsrates der FU vom 5.12.)

Das Stigmawort wurde in verschiedener Hinsicht variiert:

  • Standorterfordernisse
  • Standorterpressung
  • Standortfaktor: Ich will kein Standortfaktor sein
  • Standortrhetorik
  • Elite des deutschen Standortes
  • Standort-Deutschland-CDU


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